Die Digitalisierung hat auch das Energiemanagement erreicht. Immer häufiger setzen Hersteller auf cloudbasierte Lösungen, um den Energieverbrauch ihrer Kundinnen und Kunden zu steuern und zu optimieren. Das Energiemanagement aus der Cloud zu betreiben, bietet zweifellos Vorteile. Doch wie bei jeder technologischen Innovation sind auch hier verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, die Aufschluss darüber geben, ob eine cloudbasierte Lösung am Ende Sinn macht – oder eben nicht.
Punkt 1: Einsparung von Zeit und Kosten
Ein wesentlicher Vorteil cloudbasierter Energiemanagementsysteme ist der Kostenvorteil, da keine teure Hardware vor Ort installiert werden muss und somit Anschaffungskosten sowie der Aufwand für die Installation entfallen. Die eventuell erforderlichen Wartungsarbeiten lassen sich remote steuern und durchführen, was ebenfalls zur Zeit- und Kostenersparnis beiträgt. Zudem ermöglichen cloudbasierte Systeme eine schnellere Skalierung und Anpassung an sich verändernde Anforderungen, ohne dass physische Änderungen notwendig sind.
Punkt 2: Umsetzung des Paragrafen 14a EnWG
Eine große Herausforderung für cloudbasierte Energiemanagementsysteme ist die Umsetzung des Paragrafen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Dieser Paragraf regelt die Möglichkeit der netzdienlichen Steuerung von Energieverbrauchseinrichtungen – eine Regelung, die seit dem 01.01.2024 gilt. Das erlaubt Verteilnetzbetreibern, im Notfall einer Netzüberlastung Verbraucher abzuregeln, beziehungsweise zu dimmen, wie es in der Fachsprache heißt.
pv magazine Webinar mit Markus Große Gorgemann
Energiemanagement mit neuem Konzept zur Wärmepumpenansteuerung und Tipps zur §14a-Umsetzung
Mittwoch, 20. November 2024
15:00 – 16:00Uhr
Markus Große Gorgemann wird das Energielenker Home Energy Management System vorstellen, das gerade im Hinblick auf die Schnittstellen zu Komponenten einige Überraschungen bietet.
Wir diskutieren außerdem die Frage, wie Installateure mit den verschiedenen Protokollen und den Anforderungen der Netzbetreiber für steuerbare Verbraucher nach Paragraf 14a umgehen sollten.
Markus Große Gorgemann wird im pv magazine Webinar für Fragen zur Verfügung stehen.
Dadurch wird es grundsätzlich sinnvoll, ein Energiemanagementsystem aktiv zu haben, sobald ein oder mehrere steuerbare Verbraucher und eine Photovoltaik-Anlage betrieben werden. Die Reduzierung der Last durch den Netzbetreiber kann dann gegen die Erzeugung gerechnet und die Reduzierung auf wenige angewendet werden, anstatt alle steuerbaren Verbraucher zu „dimmen“.
Eine Beispielrechnung zeigt, wie sich die Regelung aus dem EnWG jeweils ohne und mit einer Lösung für intelligentes Energiemanagement auswirkt.
Die Ausgangslage:
Angenommen die Photovoltaik-Anlage erzeugt keinen Strom, die Batterie im Haus ist jedoch voll und kann 6 Kilowatt Leistung ausspeisen, während das Aufladen eines E-Fahrzeuges 11 Kilowatt verbraucht und die Wärmepumpe 3 Kilowatt bezieht.
Ohne intelligentes Energiemanagement:
Tritt nun der Fall ein, dass der Netzbetreiber die Leistung der Komponenten gemäß Paragraf 14a EnWG reduziert, weil aus seiner Sicht zur Wahrung der Netzstabilität nur eine Last von 4,2 Kilowatt je steuerbaren Verbraucher zugelassen werden kann, könnte sich ohne ein Energiemanagementsystem folgende Situation ergeben: Die Ladeleistung des Autos und die Leistung der Wärmepumpe wird gedimmt, sofern dies technisch möglich ist.
Mit intelligentem Energiemanagement:
Mit einem Energiemanagementsystem, das Erzeugung, Verbrauch und Speicher miteinander verknüpft und intelligent steuert, ergibt sich folgendes Bild:
Weil der im Paragraf 14a festgelegte maximale Leistungsbezug aus dem Stromnetz 4,2 Kilowatt je Komponente beträgt und die Batterie 6 Kilowatt ausspeisen kann, stehen insgesamt 14,4 Kilowatt zur Verfügung.
Die Wärmepumpe und die Ladeinfrastruktur können also einfach weiter betrieben werden. Die Leistung, die aus dem Netz gezogen werden darf, wird in diesem Szenario nicht überschritten, somit entgeht der Beispielhaushalt der Steuerung durch den Netzbetreiber.
Für die Steuerung wird vom Messstellenbetreiber eine sogenannte FNN-Steuerbox installiert, diese gibt die Information zur Verbrauchsreduzierung auf zwei Wegen weiter:
- Schaltkontakte
Die Schaltkontakte sind vor allem für einfache Anwendungen und insbesondere für einen Retrofit-Ansatz gedacht.
- Digitale Schnittstelle
Die digitale Schnittstelle basiert auf einer netzwerkbasierten Kommunikation. Hierfür werden vom VDE FNN zwei Protokolle genannt: EEBus und KNX.
Sowohl die Schaltkontakte als auch die netzwerkbasierten Protokolle sind nicht für den Zugriff aus der Cloud ausgelegt. Die Umsetzung eines ganzheitlichen Energiemanagements aus der Cloud stößt damit an Grenzen, da der notwendige Paragraf 14a EnWG nicht so einfach umgesetzt werden kann.
Die einzelnen Verbraucher müssten damit direkt mit der FNN Steuerbox verbunden werden, dadurch hat man die gleiche Situation wie ohne Heimenergiemanagementsystem, da das Dimm-Signal von der Cloudlösung nicht erfasst werden kann.
Das ist einer der Gründe, warum wir von Energielenker uns entschieden haben, ein hardwarebasiertes Energiemanagement anzubieten.
Punkt 3: Steuerung und Erfassung von weiteren Komponenten
Ein weiteres Problem ist die Steuerung und Erfassung von Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Batterien aus der Cloud. Diese Geräte sind essenziell für ein modernes, nachhaltiges Energiemanagement, doch ihre Integration in ein cloudbasiertes System ist schwierig und in Teilen auch unmöglich.
Einige der genannten Komponenten verfügen bereits über eine Cloud-Anbindung und lassen sich dadurch auch aus der Cloud heraus steuern, jedoch trifft das nicht auf alle Komponenten zu. Insbesondere bei Wärmepumpen und Stromzählern findet man eine Cloud-Anbindung fast nie. Auch Ladestationen und Batteriespeicher sprechen nicht immer mit einer Cloud. Das liegt auch daran, dass die eingesetzten Protokolle teilweise unverschlüsselt und für eine Kommunikation mit dem Internet folglich ungeeignet sind.
Punkt 4: Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz
Ein weiterer kritischer Aspekt bei cloudbasierten Energiemanagementsystemen ist die Datensicherheit. Die Übertragung sensibler Daten über das Internet birgt Risiken. Hackerangriffe und Datenlecks können nicht nur zu finanziellen Verlusten führen, sondern auch zu einem Verlust an Vertrauen seitens der Nutzer und Nutzerinnen. Es bedarf umfassender Sicherheitsmaßnahmen und kontinuierlicher Überwachung, um die Integrität und Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten.
Energiemanagementsysteme aus der Cloud, die die Wärmeversorgung und den Stromverbrauch einschließlich der Elektromobilität erfassen und steuern, sind bedenklich, da sie das Verhalten der Bewohner äußerst genau erfassen können. Diese Systeme sammeln detaillierte Daten über den Energieverbrauch und die Nutzungsmuster im Haushalt, wodurch sensible Informationen über die täglichen Aktivitäten und Gewohnheiten der Bewohner offengelegt werden. Da all diese Daten über das Internet an den Anbieter übertragen und dort gespeichert werden, besteht ein erhebliches Risiko für Datenschutzverletzungen und den Missbrauch dieser Informationen. Insbesondere könnten solche Daten von Dritten, wie zum Beispiel Werbetreibenden oder sogar Cyberkriminellen, abgegriffen und missbraucht werden.
Punkt 5: Abhängigkeit von Internetverbindung und Cloud-Anbieter
Die Zuverlässigkeit cloudbasierter Systeme hängt nicht zuletzt stark von der Stabilität der Internetverbindung und der Verfügbarkeit der Cloud-Dienste ab. Bei Ausfällen oder Störungen kann es zu erheblichen Einschränkungen im Energiemanagement kommen. Zudem entsteht eine Abhängigkeit von den Cloud-Anbietern, was langfristig zu einem Risiko werden kann, insbesondere wenn diese Anbieter ihre Geschäftsbedingungen ändern oder ihre Dienste einstellen.
Fazit
Cloudbasiertes Energiemanagement bietet ohne Frage zahlreiche Vorteile, insbesondere in Bezug auf Kosten und Flexibilität. Allerdings dürfen die damit einhergehenden Herausforderungen nicht unterschätzt werden. Vor allem die Umsetzung des Paragrafen 14a EnWG und die Integration von wichtigen Energiesystemen wie Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen, Ladestationen und Batterien können erhebliche Hürden darstellen. Zudem müssen Fragen der Datensicherheit und der Abhängigkeit von Internetverbindungen und Cloud-Anbietern sorgfältig geprüft werden. Es bedarf einer gründlichen Abwägung, ob die Vorteile die Nachteile in der individuellen Anwendungssituation überwiegen. Nur so kann entschieden werden, ob eine cloudbasierte Lösung tatsächlich die beste Wahl ist.
— Markus Große Gorgemann ist Geschäftsführer der Energielenker Solutions GmbH und seit rund fünfzehn Jahren im Erneuerbare-Energien-Sektor tätig. Bei der Energielenker Gruppe hatte der Informatiker bereits verschiedene leitende Positionen inne, in denen er seine Fähigkeiten auf dem Gebiet der Softwareentwicklung sowie seine Kenntnisse im Bereich Energiemanagement zum Einsatz bringt. Er sucht immer nach einfachen und smarten Lösungen zur Umsetzung der Energiewende und bezeichnet sich selbst als Energiewende Prosumer. —
Korrektur am 29. Oktober 12:00 Uhr: In der ersten Version hieß es, dass am Netzanschlusspunkt auf 4,2 Kilowatt gedimmt werden kann. Richtig ist, dass wie von einem Kommentator unten angemerkt, pro steuerbarer Komponente auf 4,2 Kilowatt gedimmt werden kann. Unser Autor hat daher das Beispiel im Artikel angepasst.
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Vielen Dank für den Beitrag und der klaren Analyse des Themas.
Ergänzen kann man zudem, dass auch der staatliche Zugriff, der beispielsweise durch eine Änderung des Polizei-Aufgaben-Gesetze, eine weitere Bedrohung darstellen kann (ganz abgesehen von einer Änderung der Regierungsform).
Doch viel relevanter ist aus meiner Sicht, dass wir uns mit derartigen Dingen viel stärker in eine Richtung der „unbeherrschbaren“ Komplexitätsfalle bewegen, aus der uns selbst die KI nicht mehr befreien kann, wenn die „Dinge“ selbst nicht mehr s e l b s t-ständig bleiben. Es fragt sich wie weit wir uns noch von der Natur „wegautomatisieren“ wollen? Reicht es den nicht zu wissen: „jetzt ist es hell, jetzt kommt Energie, jetzt beginn ich zu speichern, zu laden, zu arbeiten – jetzt ist dunkel, nun gebe ich Energie ab, nun beende ich meine Last.
Nur mit einem für ALLE gültigen „keep it simpel – System“ lässt sich Zukunft gestalten, in der sich „das Wohlfühlen“ die Priorität weiterhin sicher kann.
Der Artikel enthält leider einige falsche Aussagen: Anders als dargestellt, beträgt die im Fall einer Steuerung durch den Netzbetreiber verfügbaren Leistung nicht 4,2kW für alle Geräte sondern 4,2kW je Gerät. Zitat aus der Festlegung der BNetzA: „4.5.1 Für jede steuerbare Verbrauchseinrichtung im Sinne der Ziffer 2.4.1., die gemäß Ziffer 4.4.a. (Direktansteuerung) angesteuert wird, beträgt die Mindestleistung 4,2 kW.“ Das heißt Wallbox und Wärmepumpe können auch ohne EMS beide weiter betrieben werden.
Zudem ist der konstruierte Fall absolut unrealistisch: Im Fall von PV-Erzeugung hat der Netzbetreiber kein Problem mit zu viel Stromverbrauch im System, sondern eher mit zu viel PV-Erzeugung.
Ein Hinweis zum Thema Datenschutz: auch viele lokale Energiemanagement-Systeme nutzen Cloud-Services und macht die Daten im Internet verfügbar, wenn die Nutzer ein Frontend / App nutzen.
Sehr gut auf den Punkt gebracht! Hier wird mit dem Hauptartikel gezielt Angst versucht zu verbreiten… Der Verfasser hätte sich lieber mit dem Thema auseinander setzen sollen.
Hallo Willi,
Ich habe mir das erneut angeschaut, und mit dem Berechnungsbeispiel hast du recht, da habe ich mich geirrt. Das wird korrigiert!
Dennoch ist §14a ein Befehl, den ein HEMS aus der Cloud nicht verarbeiten kann, weil das Signal dort nicht ankommt.
Beim Datenschutz hast du dich jedoch geirrt, App und Cloud kann man durchaus anbieten ohne die Daten in die Cloud zu senden. Mithilfe von Proxies und Tunneln geht das, so machen wir das auch.
Danke, dass bei der blindwütigen Digitalisierung hier auch mal jemand einen kühlen Kopf bewahrt!
Für mich ist die Gefahr, die von Hackergruppen und Schurkenstaaten ausgeht, ein absolutes “ Totschlagargument“ gegen überregionale digitale Eingriffe in das Versorgungsnetz, selbsr wenn dadurch nur überregional Verbrauchsdaten von Kunden „abgezogen“ werden. Angriffe auf Server könnten bei entsprechender Virusprogrammierung sogar einen deutschlandweiten etc. BLACKOUT verursachen. Einen entsprechenden Angriff von Russland auf die Ukraine hat es ja schon einmal gegeben, die Folgen waren über die Ukraine hinaus zu spüren. Aber so etwas vedrängt man schnell bei der schon ‚krankhaften‘ Digitalisierungseuphorie heutzutage